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Extremale Rechtecke - eine Problemsequenz

Mathematische Problemsequenzen eignen sich nicht nur zur Auflockerung des nach vieler Schülermeinung ansonsten eintönigen Mathematikunterrichts, sondern sie liefern mehrere interessante Fragestellungen für tiefgehende Betrachtungen, deren mathematischer und pädagogischer Wert mindestens so hoch einzuschätzen ist, wie viele traditionelle Kapitel der Schulmathematik. Diese Problemsequenzen werden zwecks Motivation in eine passende Einkleidung der mathematischen Sachverhalte gesteckt, um die Mathematik in der Form von Geschichten darlegen zu können und die Schüler in das Fabelreich der Phantasie zu entführen. Die Interessen und Neigungen der Schüler eines Alters sollten wesentlich die Auswahl der Verpackung der Inhalte und die Grundsätze für die Gestaltung des Unterrichts bestimmen.

Ein originelles und ideenreiches Problemfeld handelt von den Rechteckmännchen, als Gegenstück zur herkömmlichen Behandlung der Rechtecke im Mathematikunterricht, bei der der Flächeninhalt und der Umfang von einem Rechteck bestimmt wird, um dieses Wissen dann durch triviale Aufteilungen bei mehreren Ackeraufgaben anzuwenden. Bei den Rechteckmännchen hingegen werden nicht nur einzelne Rechtecke betrachtet, sondern vier Rechtecksklassen gebildet, in denen Rechtecke gleicher Natur in gewisser Hinsicht enthalten sind. Diese Rechtecke der vier Rechteckssorten, die mit Kopf, Gesichtszügen und Füßen versehen wurden, bilden schließlich den Bauch der Mitglieder der vier Völker, und die Schüler erhalten die attraktiv anzuschauenden Rechteckmännchen:

Nach dem Kennenlernen verschiedener geometrischer Herstellungsverfahren für die Rechteckmännchen aller vier Klassen werden Eigenschaften der Völker untersucht, die es sehr leicht erlauben einen Eindringling, und zwar den Spion aus einem anderen Volk, zu entlarven, ohne die traditionellen Meßmethoden zu benutzen. Laufen die Männchen zwecks Messung in die Zimmerecke, so liegen die rechten Schultern je nach Rechteckssorte auf einer Geraden, einer Hyperbel oder auf einem Kreis, den sogenannten Kennlinien dieser Völker, sodaß der Spion unmittelbar erkannt wird. Der Höhepunkt wird schließlich durch die Ermittlung von einigen Rechteckmännchen dieser Völker mit gewissen geometrischen Extremaleigenschaften erreicht und so erhält man Könige (Flächeninhalt maximal), Kanzler (Teilumfang minimal), Generäle (Quermaß minimal), Soldaten (kleinerer Flächeninhalt als der General) und normale Bürger (die restlichen Rechtecke) der einzelnen Völker. Diese Extremwertaufgaben werden selbstverständlich ohne Kenntnisse der Differentialrechnung auf geometrische und für junge Schüler einsichtige Art ermittelt, indem eine der zuvor erkannten Kennlinien verschoben wird, bis sie mit einer zweiten Kennlinien nur noch einen Schnittpunkt gemeinsam hat.

Während der Lösung all dieser Aufgaben fallen nebenbei mehrere zentrale geometrische Sätze des Mathematikcurriculums ab, wie beispielsweise der Satz vom Lot als kürzeste Verbindung zwischen Punkt und Gerade, welche üblicherweise im Mathematikunterricht behandelt, eher gelangweilt von den Schülern aufgenommen werden. Das Problemfeld der Rechteckmännchen ist so reich an mathematischen Inhalten, die altersgerecht auf unterschiedliche Art und Weise von den Schülern aufgenommen werden können, daß dieses Problemfeld von denselben Schülern in späteren Schuljahren wieder aufgegriffen werden kann, um die alten Erkenntnisse mit neu gelernten mathematischen Methoden zu überprüfen. Schüler der sechsten Jahrgangsstufe sind dazu in der Lage die Kennlinien der einzelnen Völker experimentell zu erkennen, doch deren algebraische Darstellung wird wohl zu einem späteren Zeitpunkt durch die Reaktivierung des alten aber immer noch attraktiven Problemfeldes erfolgen.

Die gesamte Problemsequenz lädt die Kinder regelrecht dazu ein, durch handwerkliche Tätigkeiten mit Pfeifenstopfern, Draht, Papier, Schere, Klebstoff und so weiter die entsprechenden Rechtecke herzustellen und ihre Eigenschaften zu untersuchen, was jeder Lehrer tunlichst unterstützen sollte, um eine Erfassung dieser Sachverhalte durch eigene Handlungen zu fördern und um das eigenständige Problemlösen der Schüler zu unterstützen.

Die zu dieser Geschichte in Java geschriebenen Programme sollen im Unterrichtsgeschehen zusätzlich die Motivation zur Auseinandersetzung mit diesen Problemen fördern und einige technische Schwierigkeiten erleichtern, indem die zuvor beschriebenen Prozesse grafisch simuliert werden. Die Theorie der Ufaner ist eine vereinfachte Theorie der Teiufaner und wurde im Programm nicht berücksichtigt. Für jedes Volk wird je ein Herstellungsverfahren (zum Beispiel die Geburt der Teiufaner), eine Spionsuche (zum Beispiel der Spion der Teiufaner) und je eine Extremalbetrachtung für die charakteristischen Eigenschaften der beiden anderen Völker angeboten (wie beispielsweise der König der Teiufaner und der General der Teiufaner). Alle Programmteile lassen sich mit Hilfe der Maus steuern, wobei in den Aufgaben für die Extremwertbestimmung die entsprechende Kennlinie vom Schüler interaktiv in Echtzeit an die gewünschte Position mit der Maus gezogen werden kann. Mit Hilfe von eingeblendeten Messlinealen lässt sich das Verhältnis von Breite zu Höhe bei den einzelnen extremalen Rechtecken erkennen und diese zusätzlichen Eigenschaften erzeugen ein weiteres mal das Bedürfnis eine Erkenntnis zu begründen. Das Programm kann stundenbegleitend vom Lehrer im Unterricht als Medium verwendet werden oder von den Schülern an Einzelarbeitsrechnern benutzt werden, um die zuvor beschriebenen Ergebnisse selbständig und selbsttätig zu erhalten. Die Attraktivität der Geschichte und die Ästhetik der farbigen, grafischen Darstellungen mit Hilfe des Computers werden Schüler dazu motivieren, sich anhaltend mit dieser Thematik auseinanderzusetzen und als besonderes Bonbon können Schüler sich einen farbigen Ausdruck der Rechteckmännchen mit nach Hause nehmen. Die Programme liegen auch in einer Version für das Betriebssystem MS-DOS und in einer Version für MS-Windows vor und können beim Autor per email bestellt werden. Der am Quellcode interessierte Schüler erhält weiterhin durch den modularen Aufbau der Programme die Möglichkeit, die Gestalt der Könige, Kanzler und Generäle nach eigenen Vorstellungen phantasievoll zu verändern oder die mathematischen Zeilen für die Ermittlung der Schnittpunkte zweier Kennlinien zu studieren. Zum Beispiel wird der Kanzler der Diagoner dadurch ermittelt, daß man ein Koordinatensystem verwendet, dessen Ursprung in der Zimmerecke mit der Meßlatte liegt und so können die Koordinaten der rechten Schulter des Kanzlers, der sich in der Zimmerecke aufhält, durch die Ermittlung des Schnittpunktes der zugehörigen Kreisgleichung der Diagoner und der Geradengleichung als Kennlinie für den gleichen Teilumfang folgendermaßen berechnet werden:

Kreisgleichung für die Diagoner:

Geradengleichung für die Teiufaner:

Schnittpunkte beider Kennlinien:


Ein einzelner Schnittpunkt liegt also nur vor wenn der Ausdruck in der Wurzel gleich Null ist und so ergeben sich folgende Koordinaten für die rechte Schulter des Kanzlers der Diagoner:


Hier ist auch algebraisch zu erkennen, daß der Kanzler der Diagoner doppelt so hoch wie breit ist, was die kleinen Kinder zuvor durch Abzählen an einer Meßlatte auch vermutet haben. Außerdem wird durch die Rechnung unmittelbar klar, daß das Rechteck des Kanzlers der Diagoner kongruent zum Rechteck des Generals der Teiufaner sein muß.

Teiufaner
Areaner
Diagoner
Geburt
Geburt
Geburt
Spionsuche
Spionsuche
Spionsuche
König
Kanzler
König
General
General
Kanzler

Literatur
Stowasser R. J. K: Extremale Rechtecke - eine Problemsequenz mit Kurzfilmen, in: Der Mathematikunterricht, Ernst Klett Verlag, Stuttgart 3 1976

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